Digital Signage Open-Source-Software trägt zu mehr Transparenz und Wettbewerb in unserer vernagelten, von Marketinggeschwafel beherrschenden Branche bei. Zudem wirkt die Kenntnis frei nutzbarer Software oft gegen den Irrglauben vieler Unternehmer an, sie müssten das Rad neu erfinden.
Erfahren Sie in diesem Artikel, was Open-Source-Software (abgekürzt OSS) bedeutet, welche freie Angebote für Digital Signage existieren, welche Geschäftsmodelle diese ermöglichen, woran Sie gesunde Open-Source-Projekte erkennen und warum OSS besonders in Kombination mit dem SMIL-Standard unsere Geschäftsmodelle sichert.
Was bedeutet Open-Source-Software?
Open-Source-Software für Digital Signage bedeutet, Software im Quelltext zur Verfügung zu stellen. Das kann öffentlich unter einer als frei anerkannten Lizenz oder spezifisch für einen Kunden erfolgen.
Freibier vs. Freiheit
Richard Stallman, einer der Vordenker der Open Source Bewegung prägte den Ausdruck: „Frei wie Redefreiheit und nicht wie Freibier“.
Schenkt Ihnen also jemand kostenlos zehn Lizenzen auf seiner Digital Signage Cloud, so ist das vergleichbar zu Freibier. Wirklich frei hingegen wäre es, Sie könnten das CMS, mit denen die Cloud betreiben wird, kostenlos herunterladen und selbst installieren. Erst das ist echte Digital Signage Open-Source-Software.
Freie Lizenzen
Es existieren dutzende freier OSS-Lizenzmodelle, die sich mehr oder weniger ähneln. Am bekannteste sind:
GPL: GNU General Public License
BSD-Lizenz: Berkeley Software Distribution.
Apache-Lizenz: Apache Software Foundation
Die Apache und BSD-Lizenz zeigen sich sehr freizügig bezüglich kommerzieller Verwertung. Sie dürfen BSD-Software ändern, um abgeleitete Werke zu erstellen und diese ohne Quelltext zu vertreiben. Die Apache-Lizenz erlaubt sogar eine Patentierung der abgeleiteten Werke.
Die GPL ist da restriktiver und integriert ein sogenannte Copyleft. Sie erlaubt ebenso die Veröffentlichung abgeleitete Werke, aber nur unter der gleichen Lizenz. Das sorgt dafür, dass die Freiheit, welche die Entwickler ihren Nutzern gewähren, auch erhalten bleibt.
Es gibt noch weitere freie Lizenzen, verschiedene Versionen und Unterformen, aber alle zu erklären sprengt hier den Rahmen. Ich bevorzuge für die meisten meiner Projekte die AGPLv3.
Steve Ballmer versuchte die Lizenz Anfang der 2000er-Jahre, als Krebsgeschwür zu diskreditieren. Das unter GPL stehende Linux begann seinerzeit nämlich Microsoft mehr und mehr Marktanteile auf dem Servermarkt abzujagen. Inzwischen ist er Geschichte und die Hölle zugefroren, weil sich Microsoft sowohl für Linux als auch für Open Source geöffnet hat.
GPL-Mythen
So wie Steve Ballmer seinerzeit Halbwissen offenbarte, ranken sich diverse Mythen um die Pflicht zur Veröffentlichung und Kommerzialisierung von OSS. Klären wir das also anhand eines konkreten Beispiels:
Wie vielleicht bekannt ist, habe ich den Digital Signage Player entwickelt, den u. a. SmilControl nutzt. Personen sowie Unternehmen dürfen den kopieren, ändern, sogar umbenennen und verkaufen. Das Copyleft verlangt lediglich, dass die Kunden auf Verlangen Zugriff zum Quelltext erhalten.
Wenn also Unternehmen X den Garlic-Player erweitert und zusammen mit einer Digital Signage Hardware verkauft, müssen diese den geänderten Quelltext weder mir noch öffentlich zur Verfügung stellen, sondern nur ihrem jeweiligen Kunden. Das ist der Copyleft-Vertrag, den Unternehmen X eingeht, sobald sie den Quelltext des Garlic-Players nutzen und verändern.
Sollte Unternehmen X dem nicht Folge leisten, brechen sie den Vertrag und es kommt zu einem Fallback auf das normale Copyright. Dann wäre es möglich, auf Lizenzzahlungen zu klagen. In der Regel halten sich Unternehmen an die GPL, weil sie einen gravierenden Reputationsverlust befürchten müssen, sobald die GPL-Verletzung öffentlich wird. Letzteres ist in den letzten Jahrzehnten schon öfter passiert und die Lizenz wurde inzwischen juristisch mehrfach bestätigt.
Welche Vorteile bietet Open Source für Digital Signage?
Es existieren vier elementare Vorteile von Open Source Digital Signage für Unternehmen.
Transparenz
Reputation
Investitionssicherheit
Innovation
Transparenz
Sie erkennen die Aktivität, Ehrlichkeit und Fehlerkultur eines Projekts oder Unternehmens, bevor Sie sich festlegen. Manche Vertriebler versprechen das Blaue vom Himmel, welches sich nach Vertragsabschluss als „ungenau“ erweist. Open Source bewahrt Sie vor solchen Mogelpackungen.
Reputation
Ein Entwickler beweist seine Kompetenz und gewinnt elegant an Reputation durch öffentlich einsehbare Entwicklungsprozesse. Der Kunde bekommt oben genannte Transparenz und der Dienstleister zeigt echte Know-how, ohne hohle Marketingphrasen zu bemühen.
Investitionssicherheit
Das geschieht durch mehr Unabhängigkeit. Ein Dienstleister kann sein Geschäft aufgeben, bankrottgehen oder aufgekauft werden. Open Source sichert derweil Ihr Geschäftskonzept. Sie besitzen die Möglichkeit jemand anderen auszuwählen oder selbst an Entwicklungs- oder Supportprozesse teilzunehmen. Die offene Natur und die Dokumentation ermöglicht eine Einarbeitung ohne komplizierte Geheimhaltungsvereinbarungen und reduziert Abhängigkeiten.
Innovation
Trotzdem dieser Begriff deutliche Abnutzungserscheinungen trägt, ermöglicht eine Kultur der offenen Zusammenarbeit tatsächlich viel eher Innovationen. Die meisten echten Innovationen der letzten Jahre, wie Big Data, NoSQL Datenbanken, künstliche Intelligenz und sogar das Internet selbst kamen ausschließlich aus dem Open-Source-Bereich.
Jaja, es ist kostenlos
Manche nennen das als wichtigstes Argument. Ich formuliere es mal rüde: Wer das so sieht, hat entweder den Sinn von Open Source nicht verstanden oder niemals in einem Unternehmen ernsthaft Verantwortung getragen.
Ein Digital Signage Netzwerkerfolgreich zu betreiben bedingt mehr als nur Digital Signage Software zu installieren. Bildschirme benötigen regelmäßig neue Inhalte. Diese benötigen Konzeption und Planung. Jemand muss sie zudem erstellen und veröffentlichen. Das Gleiche gilt für die Erstellung und Auswertung von KPI und Statistiken. Selbst kleine Projekte benötigen einen kurzfristig erreichbaren Support, um auftretende Probleme zu lösen.
Betrachten wir das Gesamtpaket
Erst mit Hardware, Support und Dienstleistungen bekommen wir das Gesamtpaket namens Digital Signage. Open Source Entwickler verstehen Software in der Regel nicht als statisches Produkt, sondern als Dienstleistung. Wenn wir diese kontinuierlich durch Support und Erreichbarkeit erbringen, stellt das ein Kostenfaktor dar. Egal, ob frei oder nicht. Auf diesem Narrativ gründet sich das Geschäftsmodell vieler Open Source Unternehmen.
Welche Digital Signage Open-Source-Software gibt es?
Hier einige Links zu den GitHub-Verzeichnissen der mir bekannten Digital Signage Open-Source-Software Anbieter oder Entwicklern:
Unseriöse Verzeichnisanbieter erkennen Sie daran, dass sie in ihren scheinbaren Top/Best Free-Software Auflistungen oft auch Unternehmen aufführen, die nur zeitlich begrenzte Testversionen anbieten. Aus dem Grund verlinke ich hier direkt zu den Quellcodeveröffentlichungen bei GitHub und nicht zu den Unternehmensseiten.
Die Gesundheit eines Projekts ermitteln Sie anhand seiner Aktivität im sogenannten Repository. GitHub bietet da einige Kennzahlen, wie eine Aktualisierungshistorie, die Anzahl der offenen Issues (Tickets) und die Aktivität des Entwicklers. Ein Softwarerepository, welches seit Jahren nicht aktualisiert wird und dutzender ignorierter Tickets stellen konkrete Aussagen dar.
Mehr Freiheit durch SMIL-Kompatibilität
Die oben aufgeführten Hersteller oder Entwickler bieten alle veritable OSS an. Ich gehe allerdings einen Schritt weiter: Wer Open Source sagt, sollte nämlich meiner Meinung nach auch SMIL sagen. Sonst läuft es auf Insellösungen hinaus. Die Anwendungen der oben genannten Unternehmen arbeiten abgesehen von den beiden als SMIL-kompatibel gekennzeichneten nicht miteinander. Zum Beispiel: Der Medienplayer von Xibo läuft nicht mit dem CMS von Concerto zusammen usw.
Das wäre so, als ob eine Webseite, nur im Firefox und nicht im Safari oder Chrome funktioniert. Der revolutionäre Siegeszug des WWW und damit des multimedialen Internets wäre in der 1990er-Jahren ohne ein herstellerübergreifendes Standardformat wie HTML nicht möglich gewesen. Vermutlich würden wir immer noch auf proprietären Netzwerken wie Compuserve, MSN, Datex-J Mailboxen für jeden Klick unterschiedlich zahlen.
Gerade eine Wachstumsbranche wie Digital Signage benötigt offene Standards. Deshalb bekennen wir uns bei SmilControl nicht nur für Open-Source, sondern auch zu SMIL.
Geschäftsmodelle mit Digital Signage Open-Source-Software?
Für Digital Signage tun sich drei Geschäftsmodelle auf.
Eingeschränkte freie Versionen
Teilweise freie Softwarekomponenten
OSS mit kostenpflichtigen SaaS, Entwicklungs- und Wartungsverträge
Wenngleich altruistische Gründe oder sogar Spaß am Entwickeln für die Entscheidung zu Digital Signage Open-Source mit eine Rolle spielen: Auch idealistische Menschen möchten ihre Kühlschränke füllen. Einige der Geschäftsmodelle unterscheiden sich aber.
Eingeschränkte Funktionalität
Freie Softwarevariante besitzt in diesem Fall nicht die vollen Funktionalitäten oder steuern nur eine begrenzte Anzahl an Bildschirmen an. Erst die Pros oder Enterpriseversionen integrieren alle Plug-ins oder Funktionalitäten. Screenly OSE verfolgt diesen Ansatz.
Teilweise OSS
Digital Signage Netzwerke funktionieren als Zusammenspiel mehrerer Komponenten. Bei der Software sind das in der Regel Player und Management. Eine weitere Möglichkeit wäre es entweder nur den Player oder das Geräte- und Contentmanagement als freie Software zu publizieren.
SmilControl und Xibo nutzen unter anderem dieses Geschäftsmodell. Bei Xibo ist der Android Player lizenzpflichtig und bei uns das SaaS CMS. Durch den Einsatz von SMIL ergibt sich ein zusätzlicher Vorteil. Ein Unternehmen kann in dem Fall andere kompatible SaaS-Lösungen nutzen oder durch die frei zugängliche Dokumentation ein eigenes CMS entwickeln.
SaaS, Entwicklungs- und Wartungsverträge
Wie oben bereits erwähnt, benötigen Unternehmen gewisse Sicherheiten. Deshalb schließen die meisten ab in der Regel Wartungsverträge ab. Bei komplexen Digital Signage Lösungen sind diese Verträge lukrativer als der einmalige Kauf einer Lizenz.
Freie OSS ermöglicht hier unabhängige Servicedienstleister. Prominente Beispiele kommen aus der Web-CMS Branche. Es gibt Dutzende von Agenturen, die Webauftritte und Webapplikationen mit Typo3, WordPress, Drupal usw. betreuen, ohne dass sie in die eigentliche Programmierung involviert sind.
Auch das nutzende Unternehmen kann sich selbst problemlos durch freie Dokumentation das notwendige Wissen verschaffen, um seine Installation zu betreuen. Unserer Branche befindet sich diesbezüglich leider noch in der Steinzeit.
Fazit
Bei Digital Signage Open-Source geht es wie generell bei freier OSS nicht um scheinbar kostenloses. Der freie und ungehinderten Zugriff auf Technologie sowie Dokumentation steht im Mittelpunkt. Das ermöglicht mehr Zusammenarbeit, Diversifikation und neue Geschäftsmodelle, die wiederum Wettbewerb und Innovationen fördern.