Digital Signage mit dem Raspberry Pi

Bild Raspberry Pi 3
Raspberry Pi 3

Wer die Spezifikationen betrachtet, stellt sich die berechtigte Frage, ob Digital Signage mit dem Raspberry Pi möglich ist. Die Unterstützung mit Open-Source-Software ist vorbildlich, und es gibt günstige Starter-Kits. Die Community ist riesig, besitzt viele Erfahrungen und man bekommt schnell Hilfe. Das Gerät spielt neben Bildern und Webseiten auch Full-HD Videos ab und funkt inzwischen im WLAN.

Allerdings existieren aus meiner Sicht ein paar konzeptionelle Nachteile, die Digital Signage mit dem Raspberry Pi in einem Netzwerk stark einschränken.

Zum einen wurde er primär als Lerncomputer konzipiert und nicht als Medienabspieler. Um Kosten zu sparen, läuft das Netzwerk bis zur Version 3 über den USB-Hub. Die allgemeine Performance ist bescheiden.

Einige Modelle

Spezifikationen Raspberry Pi 3.0 B (Februar 2016)

  • 1200 MHz 64 Bit ARMv8-A Quadcore Prozessor
  • 1024 MB RAM
  • Bluetooth 4.1
  • WLAN b/g/n
  • 10/100 MBit Ethernet
  • microSD-Kartenleser

Der Raspberry Pi Zero

Ich führe dieses Modell nur der Vollständigkeit halber auf. Den Raspberry Pi Zero gibt es seit November 2015 für knapp 5 EUR. In der Variante ab dem Februar 2017 mit Wi-Fi. Der Zero besitzt 512 MB Arbeitsspeicher und die CPU vom ersten Raspi-Modell mit nur einem Core. Trotz der Videobeschleunigung arbeitet er viel zu langsam, um als Mediencenter oder gar in Digital Signage Projekten eingesetzt zu werden.

Im Sommer 2016 portierte ich meinen garlic-player im Zuge eines Kunden-Projekts aus Neugier auf den Zero. Es lief und selbst HD Videos wurden abgespielt. Allerdings war die Bedienung zäh und es machte nicht wirklich Spaß, das Gerät zu administrieren. Als Technologiestudie war das natürlich für den Kunden beeindruckend. Für ernsthafte Projekte im Bereich Medien ist diese Hardware aber nicht geschaffen worden.

Update: Raspberry Pi Version 4

Im Juni 2019 erschien der Raspberry Pi in Version 4. Die neue CPU ist wesentlich leistungsstärker, und das Netzwerk läuft nicht mehr über USB. Die Performance wurde gesamtheitlich stark verbessert, und das Gerät treibt zwei 4K-Monitore gleichzeitig an. Zudem spricht er seit Mai 2020 8 GB Hauptspeicher an. Es scheint auf den ersten Blick, mit einem gut Wärme abführenden Gehäuse, noch weniger Probleme für Einsatz in Digital Signage Projekten zu geben.

Unbefriedigende Hardwarebeschleunigung für Videos

Leider trügt der Schein und auf den zweiten Blick offenbaren sich einige Probleme. Für Digital Signage ist effiziente Hardwarebeschleunigung für Videos essenziell. Ohne die Beschleunigung durch Spezialprozessoren wie die VPU (Video Processor Unit) dekodiert die CPU „in Software“. Das kostet mehr Strom, führt zu Rucklern und zu Überhitzung, weil der Hauptprozessor dafür zu langsam ist. Genau in dieser Disziplin patzt der Raspi.

Nur eingeschränktes 4K-Video

Der Raspberry Pi 4 beschleunigt zwar 4K-Videos, aber nur ein bestimmtes h265-Profil und auch nur im Vollbild. Womit Player, die multiple Zonen ansprechen, ausscheiden. Ansonsten ruckeln 4K-Inhalte inakzeptabel und führen zu einer Überhitzung. Ausgerechnet für freie Codecs wie VP8, VP9 oder gar AV1 bietet die VPU keine 4K-Unterstützung. Auf älteren Modellen funktionieren diese Codecs nicht mal mit HD-Auflösung.

Bildbeschleunigung mit 64 Bit

Um den bis zu 8 GB großen Hauptspeicher komplett anzusprechen, benötigt es ein 64 Bit Betriebssystem. Das offizielle 64 Bit Raspberry Pi OS (ehemals Raspbian) wurde nach zweijähriger Testphase im Februar 2022 offiziell freigegeben. Die Hardwarebeschleunigung für Videos fehlte dort allerdings und wurde erst im August 2022 nachgereicht.

Zwar liefen bei einem meiner Tests beeindruckende vier Videos gleichzeitig fast ruckelfrei mit der damaligen Betaversion. Da allerdings anstelle des Videobeschleunigers ein recht heiß werdender Prozessor die Hauptlast trägt, wirft das Fragen hinsichtlich der Langzeitstabilität auf.

Keine Videobeschleunigung in der Browserkomponente

Moderne Digital Signage Player beinhalten eine Browserkomponente. Damit lassen sich Webseiten und interaktive Anwendungen in Form von Widgets anzeigen. Möchte Sie browserbasiert Videos abspielen, stehen Sie vor einem Problem. Google deaktiviert unter Linux die Hardwarebeschleunigung von Videos grundsätzlich wegen möglicher Hardwareproblematiken. Im Browser lässt sich das auf eigene Gefahr aktivieren, aber in einer Komponente wie QWebengine, die mein SMIL-Player nutzt, wird das schon komplizierter.

Es gibt Lösungen, welche den Browser selbst als Medienplayer nutzen. Nach dem oberen Absatz können Sie sich vorstellen, welchem Risiko Sie sich mit dieser Bastellösung aussetzen.

Vergleichen Sie Digital Signage nicht mit Kodi

Natürlich ist mir bekannt, dass viele den Raspberry Pi als Multimedia-Maschine nutzen und Kodi zufriedenstellend damit läuft. Für den Hausgebrauch mag das zutreffen, aber Digital Signage stellt mehr Ansprüche an die Endgeräte als Nutzer, die nach Feierabend einen Film sehen möchten.

Aus meiner Sicht ist das enttäuschend. Im Bereich Low-cost Digital Signage könnte der Raspberry Pi 4 Maßstäbe setzen. Inhalte auf zwei 4K-Monitore anzuzeigen, ist in der Preiskategorie einmalig.

Der gravierendste Nachteil: Es fehlt eMMC-Speicher

Digital Signage Projekte in einem Netzwerk werden in der Regel mit einem CMS betrieben. Hiermit können Inhalte regelmäßig und zeitnah ausgetauscht werden. Infolgedessen sind die Abspielgeräte zentral steuerbar und müssen Logs für den Fehlerfall oder Abspielstatistiken abliefern. All das bedeutet für einen Medienplayer neben dem lesenden auch besonders viele schreibende Zugriffe auf seinen internen Speicher. Dieser muss beim Standard Raspberry Pi hinzugekauft werden.

Fallstricke beim Speicherkauf

Es gibt zwei Möglichkeiten, nicht flüchtigen Speicher nachzurüsten. Mit einem USB-Stick oder einer microSD-Karte. Allerdings taugt günstiger, sogenannter Consumer Speicher dafür nicht. Billige SD-Flashspeicher für den Gebrauch im Smartphone oder als mobile Datenablage werden primär lesend genutzt. Schreib- und Löschzugriffe bei großen Datenmengen sind quälend langsam.

Abgesehen davon sind diese Zugriffe bei Flash Speichern generell begrenzt. Je nach Speichertechnologie halten die Blocks ca. 1.000 bis 1.000.000 maximale Lösch- und Schreibzyklen (P/E-Zyklen) aus (Quelle Wikipedia). Dementsprechend unterscheiden sich günstige Modelle von den teuren SD-Karten in der Anzahl der P/E-Zyklen.

Erfahrungswerte

In Digital Signage Projekten mit täglichem Inhaltswechsel und regelmäßigem Schreiben von Log-Statistiken erreicht Consumer-Speicher dieses Limit schnell.

Prinzipiell haben wie oben angedeutet auch eMMC-Speicher das Problem mit den begrenzten Schreib/Löschzyklen. Es ist schließlich die gleiche Technologie. Hardware-Hersteller sind sich aber des Problems bewusst und verbauen daher in der Regel hochwertigere Chips. Der preisbewusste Nutzer hingegen unterschätzt das Risiko, wenn er es denn überhaupt kennt und greift mit dem Raspberry Pi zu den günstigen Varianten. Mit denen hatte er bis jetzt auch in seinem Smartphone keine negativen Erfahrungen.

Ich betreute 2012 ein Projekt, welchem aus Kostengründen in dieses Problem lief. Der Dienstleister verbaute entgegen dem Rat seiner Techniker Consumer-USB Speicher in die Medienabspieler. Das waren noch nicht einmal besonders günstigste Sticks. Allerdings fielen bereits nach weniger als 12 Monaten die Geräte reihenweise aus und die Monitore wurden schwarz. Es war jedes Mal ein Technikereinsatz notwendig, um den USB-Stick vor Ort gegen ein hochwertigeres Modell auszutauschen. Die Kosten dafür überstiegen um ein Vielfaches den eigentlichen Anschaffungspreis.

Kurz gesagt: Der Alptraum jeder Digital Signage Projektleitung!

RAM-Disk ist suboptimal

Bei Raspis mit 8 GB RAM-Speicher nutzen einige eine sogenannte Ram-Disk. Dabei deklariert man einen Teil des flüchtigen RAM-Speichers als Ablageort für die Daten und Logs. Die Lösung besitzt zwei Nachteile.

  1. Sie kompliziert die Installation, Wartung und den Bootprozess. Software und Betriebssystem müssen explizit angepasst und konfiguriert werden.
  2. Stromausfall, Abstürze und Reboots führen zu sofortigem Datenverlust.

Alternative industrieller Speicher

Das lässt sich bei Digital Signage mit dem Raspberry Pi 3 nur vermeiden, indem Speicher für den Industrieeinsatz benutzt werden. Dabei gehören SLC-Bausteine zu den hochwertigsten. Es gibt auch die Möglichkeit, günstigeren MLC-Flash mit einer höheren Kapazität einzusetzen. Hierdurch können die Schreib-Löschzyklen besser verteilt werden. Allerdings hat das seinen Preis:

MicroSD-Karten mit SLC-Speicher für den Industrieeinsatz. Zum Beispiel von ATP kosten mit 8 GB Kapazität ca. 93 EUR (Stand Januar 2023) Quelle ATP

Industrielle microSD-Karten mit günstigerem MLC-Speicher kosten mit 816 GB Kapazität je nach Stückzahl ab 60 bis 85 EUR. Da bei MLC-Speicher zur Sicherheit eine höhere Kapazität, also mindestens 16 GB empfehlenswert ist, erreichen wir dennoch eine ähnliche Preisstruktur wie bei SLC-Speicher.

Die Kostensituation für hochwertigen USB-Speicher ist vergleichbar. Dazu kommen noch zwei Nachteile. Ein Stick benötigt mehr Strom als eine microSD-Karte. Das Raspberry Pi Standardnetzteil mit nur 2,5 A könnte damit überfordert sein. Außerdem ragt der Stick aus dem Gerät raus und benötigt Platz, der eventuell nicht vorhanden ist.

Obendrein stellt das eine mechanische Fehlerquelle dar, die bei Signage Projekten abgesichert werden muss. Es könnte ja jemand dagegen kommen oder den Stick mutwillig entfernen.

Preiskalkulation mit industriellem Speicher

Raspberry Pi 4 Starter-Set 8 GB RAM mit FLIRC-Gehäuse, Netzteil: ca. 120 EUR Quelle Heise-Shop
8 GB SLC microSD: 133 EUR (Quelle DigiKey)
Um Digital Signage mit dem Raspberry Pi in einem Netzwerk sicher zu betreiben, betragen die reinen Hardwarekosten also 253 EUR! (Stand August 2022)

Es gibt leistungsfähigere Medienplayer mit Android für unter 100 EUR. Wenngleich diese für ernsthafte Projekte nicht zu empfehlen sind, stellt sich die Frage, ob eine teure Bastellösung tatsächlich eine Alternative darstellt.

Der Vollständigkeit halber: das Compute Module

Bild vom Compute Module
Raspberry Pi Compute Module (CM3)

Es existiert von dem Raspberry Pi ein Compute-Module 3 für aktuell ungefähr 30 EUR (Quelle Raspishop – Stand August 2022) mit 4 GB eMMC-Speicher. Allerdings hat dieser kein WLAN-Chip und 4 GB sind nur für SD Videos oder kürzere HD-Playlisten geeignet.

Update: Compute Modul 4 (CM4)

Im Oktober 2020 veröffentlichte die Raspberry Pi Foundation das CM4. Dieses besitzt ebenfalls zwei HDMI Ausgängen, bis zu 8 GB RAM und kann wie das im Januar 2019 präsentierte CM3+ bis zu 32 GB Flash Speicher ansteuern. Damit sollten Platzsorgen für HD oder 4K Inhalte der Vergangenheit angehören.

Ferner besitzt das CM4 eine PCIe 2.0 Schnittstelle. Es kann Bluetooth, aber nach wie vor kein Wi-Fi. Der Preis bewegt sich zwischen 25 und 90 EUR.

Zusätzlich wird, sofern kein Steckplatz mit den notwendigen I/O Schnittstellen vorhanden ist, ein Trägerboard benötigt. Dieses schlägt noch mal mit ca. 100 bis 110 EUR zu Buche. Nur wenige Monitore von NEC haben das Compute Module onboard.
Das heißt, der Preis liegt hier bei mindestens 130 bis 140 EUR, was den Einsatz leider ebenso unattraktiv macht.

Fazit zu Digital Signage mit dem Raspberry Pi

Auf dem Papier macht der Raspberry Pi, besonders die Version 4, mit den zwei HDMI-Ausgängen eine gute Figur. Er ist sehr preisgünstig und das Linux Betriebssystem wird langfristig gepflegt.

Eignet sich der Raspberry Pi für professionelles Digital Signage?

Nein! Ich halte den Einsatz eines Raspberry Pis in größeren Digital Signage Projekten für einen Fehler. Sosehr mich die Hardware der Version 4 und deren Preis beeindruckt, würde ich ohne eMMC-Flash davon abraten, Netzwerke damit zu betreiben. Die Problematik mit der Videobeschleunigung kommt erschwerend hinzu.

Welche Probleme können beim Raspberry Pi auftreten?

Das Fehlen von lokalem eMMC Speicher stellt den größten Nachteil dar. MicroSD-Speicherkarten mit limitierten Schreibzyklen gehen schnell kaputt und müssen vor Ort ausgetauscht werden. Die eingeschränkte, schwer zugängliche Videobeschleunigung zwingt zu Bastellösungen und Kompromissen, die Sie bei Android-Medienplayern in der Regel nicht haben.

Wann kann ein Raspberry Pi eingesetzt werden?

Der Raspi sollte nur dann eingesetzt werden, wenn sich mittelfristig keine Inhalte ändern und Sie auch keine Abspielstatistiken benötigen. Um im Baumarkt Werkzeugdemonstration in einer Endlosschleife zu zeigen oder in einem Möbelhaus ein Imagevideo zu einer Küchenausstattung reicht prinzipiell sogar ein 5 EUR Raspberry Zero ohne Wi-Fi.

Sobald die Digital Signage Anforderungen allerdings regelmäßige Inhaltswechsel oder Abspielstatistiken beinhalten, ändert sich das gravierend. Den Raspberry Pi mit Industriespeicher aufzurüsten, lohnt sich finanziell nicht. In diesem Fall ist es sinnvoller, Alternativen in Betracht zu ziehen.

Einen Ausweg bietet unter Umständen das Compute Module 3, 3+ oder 4. Vorausgesetzt die notwendigen Steckplätzen, wie bei einigen NEC Monitore sind bereits vorhanden, die Inhalte beim CM3 nicht zu viel Speicher benötigen und Sie auf integriertes Wi-Fi verzichtet können.


Gravatar Nikolaos Sagiadinos
Autor: Niko Sagiadinos
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