Gibt es Digital Signage günstig? „Wer billig kauft, kauft zweimal!“ Diese Plattitüde hat bestimmt jeder schon mal ertragen müssen. Wenngleich sie auf einem einen wahren Kern basiert, besitzt sie wie alle „Weisheiten“ den Nachteil bei globaler unreflektierter Anwendung zur bloßen „Scheißhausparole“ zu verkommen.
Machen wir uns nichts vor: Niemand möchte mehr Geld ausgeben als notwendig. Erst recht nicht, wenn es um Projekte mit hunderten von Geräten an unterschiedlichen Standorten und zentraler Administration geht. In diesem Artikel erfahren Sie, worauf Sie bei Digital Signage Hardware und Software achten sollten, damit es nicht billig, sondern günstig wird.
Günstige Digital Signage Hardware
Marktplätze wie Alibaba, Amazon, AliExpress, eBay, Gearbest und auch inländische Distributoren verkaufen oft scheinbar unschlagbar günstige Medienplayer von asiatischen No-Name-Anbietern. In der Regel laufen die Geräte mit einem mehr oder weniger aktuellen Android, auf dem ein Videoplayer und Webbrowser installiert sind.
Die Geräte können aus technischer Sicht in Ordnung sein. Für die Betreiber eines einzelnes Geschäft oder Restaurant stellt dies unter Umständen eine praktikable Alternative dar. Mit einem Webbrowser lässt sich günstig Digital Signage betreiben.
Für Projekte mit dem Anspruch mehr als eine YouTube Playliste anzuzeigen, sollten Sie davon absehen. Denn diesen Geräten fehlen in der Regel vier elementare Dinge:
Langzeitverfügbarkeit
Support
24/7 Laufzeit
Spezifische Software
Langzeitverfügbarkeit
Das heutige Schnäppchen gibt es sehr wahrscheinlich in wenigen Monaten nicht mehr. Es kommt mit einer anderen Android-Version, besitzt andere Bauteile oder nutzt einen anderen SoC.
Langfristig ausgelegte Projekte benötigen eine stabile Umgebung. Betriebswirtschaftlich ist es ineffizient, unterschiedliche Computerhardware einzusetzen. Digital Signage Software wird oft speziell an die Hardware und deren obligatorische Macken angepasst. Unter Umständen verhält sich der neue Player komplett anders und kommt mit anderen Bugs daher. Das bedeutet kontinuierlichen Mehraufwand für Kommunikation, Testen und Anpassung.
Viele der größeren Digital Signage Installation, werden nicht unbedingt von heute auf morgen ausgerollt, sondern über einen Zeitraum von Jahren. Vermutlich kann sich jeder das Chaos vorstellen, wenn sich alle paar Wochen die Gerätespezifikationen ändern.
Medienplayer fallen auch mal aus. Die Alternative prinzipiell mehr Geräte einzukaufen und zu lagern, bindet unnötig Kapital.
Achten Sie deshalb explizit auf Langzeitverfügbarkeit. Bei industrieller Hardware ist das übrigens eine der wichtigsten Eigenschaften.
Support
Mit Support ist es wie mit Datensicherungen: Beide fallen nur auf, wenn man sie gerade braucht. Bei billigen Geräten existiert kein Support, und wenn dann nur für sehr kurze Zeit. Ich hatte oben angemerkt, dass Software oft erst ausgiebig an Geräten getestet und unter Umständen angepasst wird. Bugs sind bei Softwareprojekte die Regel, keine Ausnahme.
Praxisbeispiel
Vor ein paar Wochen arbeitete ich an einem Medienplayer, dessen Digital Signage API bei bestimmten Videos nicht signalisierte, dass diese zu Ende sind. Für unseren Einsatzzweck ein völliges No-Go. Ich informierte den Projektleiter, der den Distributor, der den asiatischen Anbieter, der das prüfte und dem Chiphersteller Rockchip kommunizierte. Nach dem Fix von Rockchip musste der Hersteller diesen wiederum in das Image implementieren.
Wie Sie an dem Praxisbeispiel erkennen, war das eine lange Kette. Da geht es nicht nur um Kommunikation, sondern auch um Abhängigkeiten. Funktioniert ein Glied dieser Kette nicht, weil da zu scharf kalkuliert wurde, sitzen Sie auf hunderten Geräten fest, die ihre eigentliche Aufgabe nicht oder nur eingeschränkt erfüllen.
Achten Sie deshalb auf mindestens zwei Jahre Hardwaresupport. Wenn es Probleme gibt, tauchen die in der Regel im ersten Jahr auf. Nach zwei Jahren ist das Risiko auf einen unentdeckten Bug zu stoßen signifikant geringer. Besser wäre natürlich über die komplette Lebenszeit des Gerätes, aber das ist bei den meisten Hardwareherstellern illusorisch oder wird kostspielig.
Laufzeiten
Behalten Sie bei der Evaluation im Hinterkopf: Werbemonitore sind für den 24/7-Dauerbetrieb ausgelegt – Smart-TV oder Tablets nicht!
Rechnen Sie es sich aus: Ein- bis zweimal im Jahr den Monitor tauschen, oder doch lieber ein vermeintlich teures Public Display mehrere Jahre nutzen?
Natürlich spiegeln sich die erwähnten Eigenschaften in einem erhöhten Hardwarepreis wider. Am Ende des Tages ist das eine mehr oder weniger komplexe Kalkulation, welche Konstellation günstiger. Aus meiner Erfahrung läuft es meistens darauf hinaus, dass die Pannen und Nachteile vermeintlich günstiger Hardware mehr Aufwand kosten, als Sie durch den Kauf einsparen.
Welche Hardware Sie unbedingt vermeiden sollten
Es gibt Gerätetypen, die Sie unbedingt vermeiden sollten, obwohl diese auf den ersten Blick geeignet scheinen.
HDMI-Sticks
Ich bekam früher oft Anfragen bezüglich sogenannter HDMI-Sticks, die ihren Strom per USB beziehen. Theoretisch eine fantastische Idee, denn so lassen sich Kabel vermeiden und Platz sparen. Die Realität: Verschwenden Sie damit nicht Ihre Zeit!
HDMI-Sticks stürzen leicht ab, denn USB 2.0 liefert gerade bei den günstigen Varianten nicht genug Leistung, um 4K-Inhalte und animierte Webseiten kontinuierlich anzuzeigen.
Die Sticks überhitzten rasch im Dauerbetrieb. Dann taktet das Betriebssystem die CPU herunter und Ihre Videos fangen an zu stottern.
Es gibt oft Probleme mit der Wi-Fi-Verbindung.
Ein Digital Signage Player übernimmt mehr Aufgaben als nur die Wiedergabe von Inhalten. Er protokolliert sich selbst, liefert Wiedergabeberichte und sucht regelmäßig nach neuen Inhalten. Diese Hintergrundaktivitäten fördern die Überhitzung. Es ist keine Seltenheit, wenn ein HDMI-Stick nach sechs Monaten ausfällt.
Erfahrungswerte
Bei SmilControl suchten wir zeitweilig selbst nach preiswerten HDMI-Sticks ohne die oben genannten Probleme. Mein Partner und ich haben jetzt in unseren Kellern jeweils eine Kiste mit Technikschrott.
Android TV
Android TV ist ein funktionsreduziertes Android, optimiert für das effiziente Abspielen von Filmen mit preiswerter Hardware. Was zunächst nach der perfekten low-cost Lösung klingt, erweist sich für uns leider als untauglich. Die reduzierten Funktionen von Android TV, sind nämlich genau diejenigen, welche die für Digital Signage wichtige Fernadministration ermöglichen.
Mit einem Amazon Fire Stick oder ein Xiaomi Mi Tv lässt sich wunderbar Netflix schauen, aber kein größeres Digital Signage Netzwerk dauerhaft sicher betreiben.
Günstige Digital Signage Software
Das Thema Support besitzt bei Digital Signage Software den größten Stellenwert. Viele machen bei Software den Fehler und behandeln sie wie ein statisches physisches Produkt mit einem Preisschild. Betrachten Sie es eher als eine kontinuierliche Dienstleistung. Der jahrelange Betrieb stellt einen größeren Kostenfaktor dar, als die Anschaffung oder Erstentwicklung.
Bestehen Sie auf Wartungsverträge
Es gibt außer TeX und dem ZIP-Format meines Wissens nach, keine fertig abgeschlossene fehlerfrei funktionierende Anwendung. Unsere Branche unterliegt einem permanenten Wandel, Anforderung ändern sich manchmal sogar während der Laufzeit eines Projektes. Bugs oder Sicherheitslücken bleiben unter Umständen jahrelang unentdeckt. Ernsthaftes Digital Signage funktioniert nicht ohne Wartungsvertrag.
Eine sogenannte SaaS-Lösung in der Digital Signage Cloud ist eine Art Wartungsvertrag mit monatlichen Lizenzgebühren pro Gerät.
Wie bereits erwähnt, ist Softwareentwicklung ein kontinuierlicher Prozess. Selbst wenn eine Anwendung keine neuen Features bekommt, benötigt sie während ihrer Lebensdauer kontinuierlich Pflege. Sie besitzt definitiv Fehler und Sicherheitslücken, die Sie besonders bei im Internet laufender Software zeitnah beheben müssen.
Wenn das die Entwicklerfirma nicht mitmacht oder nicht leisten kann, weil sie sich auf ein ruinöses Angebot einließ, sind Sie und Ihre Kunden die Leidtragenden.
Ein Webbrowser ist kein Medienplayer
Viele Billig-Varianten nutzen den Webbrowser als Medienplayer. Es gibt sogar Unternehmen, die Webbrowser als sogenannte Middleware-Plattform für in JavaScript entwickelte Digital Signage Player nutzen. Diese Lösung besitzt ein paar Vorteile. Ob Smart-TV, Chromecast oder Tablet; jedes Gerät verfügt über einen HTML5-kompatiblen Webbrowser. Der Medienplayer ist somit ohne Portierungsaufwand auf nahezu jedem System lauffähig.
Stellen Sie sich aber einfach mal folgende Fragen:
Lässt sich der Browser aus der Ferne aktualisieren oder neu starten?
Kann der Browser gerätespezifische Informationen anzeigen, den Monitor dimmen oder das Gerät ein- und ausschalten?
Ist der Browser in der Lage, Wiedergabeberichte oder andere Reports zu erstellen und zu versenden?
Lässt sich in einem Browser eine REST-API implementieren?
Kommunizieren der Browser mit der Hardware oder ist mit beliebigen externen Sensoren erweiterbar?
Z. B. Gesichtserkennung, Temperaturmessung, Lichtschranke, EAN-Codes usw.
In der Regel lautet alle Antworten Nein oder es wird kompliziert.
Ferner besitzen Webbrowser einige handfeste Nachteile
Fast alle Player-Lösungen können ihre Inhalte lokal herunterladen und funktionieren ohne Internet. Ein Webbrowser erfordert eine Internetverbindung.
Ein guter Player kann Websites oder Widgets von Drittanbietern als überlappende Zone über einem Video anzeigen. Mit einem Webbrowser wird dies problematisch.
Sie sind der Gnade der Browserhersteller ausgeliefert. Die entscheiden, welche Funktionen hinzugefügt, geändert oder entfernt werden. Ihr Produkt ist ein Webbrowser und kein Medienplayer für Digital Signage.
Aus den oben genannten Gründen habe mich dafür entschieden möglichst portable, aber trotzdem native Software zu entwickeln. Native Anwendungen erhalten die Kontrolle über Betriebssystemfunktionen – Browseranwendungen erhalten nur die Kontrolle über Browserfunktionen.
Open-Source
Digital Signage Open-Source-Software erhöht die Transparenz und schafft Unabhängigkeit sowie Investitionssicherheit. In dem verlinkten Beitrag finden Sie eine Liste von freien Digital Signage Anwendungen von Unternehmen und Einzelpersonen.
Open-Source bietet eine Reihe von Freiheiten, verursacht aber ebenso Betriebskosten. Ohne Support, Wissen oder Wartungsvertrag bekommen Sie die gleichen Probleme, wie bei den anderen Produkten auch.
Fazit
Achten Sie bei DS-Hardware auf Langzeitverfügbarkeit und ebenso wie bei der Software auf den Support. Support ist das A und O für den sicheren und stabilen Betrieb ihrer Digital Signage Lösung. Hinterfragen Sie Preise in beide Richtungen. Es gibt zu teuer, aber auch zu billig.
Vermeiden Sie außerdem HDMI-Sticks und Geräte mit Android TV.