Handelt es sich bei Green Signage nur mal wieder um einen neuen Marketingbegriff, oder geht da wirklich was? In diesem Artikel erfahren Sie abseits der Lippenbekenntnisse und sogenanntem Greenwashing, was wir alle unternehmen können, um Digital Signage so ökologisch nachhaltig wie möglich zu gestalten.
Was ist Green Signage?
Grundsätzlich geht es bei Green Signage im angelsächsischen Sprachraum um ökologisch nachhaltige analoge Schilder. Da wir uns aber im Zeitalter der digitalen Transformation befinden, existieren Bestrebungen einiger Unternehmen den Begriff auch für Digital Signage zu adaptieren.
Prinzipiell halte ich das für eine hervorragende Idee. Allerdings befinden wir uns am erst am Beginn der Reise.
Was können Kunden tun?
Der Kunde ist aus meiner Sicht der mächtigste Faktor. Wir können es uns natürlich einfach machen und von der Politik Gesetze verlangen, welche Unternehmen zu Ökoauflagen zwingen. Das dauert in der Regel ewig und wird am Ende nicht selten durch Lobbyismus verwässert. Freiwillige Maßnahmen bringen erfahrungsgemäß auch nicht viel. Welches Unternehmen legt sich freiwillig Wettbewerbsnachteile auf?
Kunden achten bei ihren Digital Signage am besten auf folgendes:
Elektroschrott durch Qualität reduzieren
Für einen Hardwarehersteller lohnt es sich mehr, neue Geräte auf den Markt zu bringen als alte Geräte zu supporten, zu reparieren oder gar zu recyceln. Letzteres gibt es leider nicht zum Nulltarif. Belohnen Sie Unternehmen, die diese Anstrengungen auf sich nehmen.
Auch kontinuierlicher Softwaresupport besitzt seinen Preis. Als Kunde sollten Sie bereit sein, den zu bezahlen. Günstige Digital Signage Hardware besitzt, wie Sie im verlinkten Artikel nachlesen können, zudem handfesten Nachteile.
Auf unserem CMS laufen mehrere Dutzend IAdea Geräte, die Ende 2011 installiert wurden. Natürlich waren die teurer als vergleichbare Geräte von Billiganbietern, aber rechnen Sie mal aus, was es Sie und die Umwelt kostet, regelmäßig defekte Geräte auszutauschen.
Elektronisches Papier
Überlegen Sie, ob es wirklich ein LED-Gerät sein muss. Bei einigen Standorten wie Bushaltestellen oder Verkehrsschildern ist elektronisches Paper eine ideale Lösung. Vermutlich kennen Sie das von E-Book-Readern. Diese Bildschirme benötigen kaum Strom, funktionieren auch im grellen Sonnenlicht hervorragend. Gerade Bushaltestellen und Verkehrsschilder betreiben Sie mit dieser Technologie CO₂-neutral über Solarzellen.
Inzwischen kommen mehr und mehr Geräte auf dem Markt, welche auch Farben anzeigen. Die Schwachstelle dieser Bildschirmkategorie sind allerdings Videos.
Grüne Rechenzentren
Spätestens beim Thema Digital Signage Cloud benötigen Sie ein Rechenzentrum. Es existieren grüne Rechenzentren, die ihre Energie ausschließlich aus Ökostrom beziehen.
Hetzner bezieht etwa seinen Strom zu 100 % aus Wasserkraft und in seinem finnischen RZ zusätzlich auch aus Windkraft.
Tipp: Echter Ökostrom
Achten Sie darauf, dass der Betreiber den Stromanbieter nennt. Einige rühmen sich nämlich mit Ökostrom, nutzen aber Anbieter, die nur sogenannte Herkunftsnachweise einkaufen. Diese garantieren nämlich nur, dass an einem unbekannten Ort eine bestimmte Menge an Ökostrom produziert wurde. Der real gelieferte Strom kann also trotzdem aus einem Kohlemeiler kommen.
Ein eleganter weiterer Schritt wäre es, wenn Rechenzentren ihre Abwärme als Fernwärme zur Verfügung stellen. Das steckt noch in den Kinderschuhen. Finnland sammelt seit einigen Jahren praktische Erfahrungen damit. Die Finnen heizen schon lange mit Fernwärme.
Geräte abschalten
Eine der einfachsten Lösungen Energie zu sparen, ist es, die die Monitore abzuschalten oder wenigstens manuell auf Stand-by zu setzen, wenn sie nicht benötigt werden.
Dunklerer Content spart Strom
Weißer Content verbraucht mehr Strom, da die LEDs bei Schwarz schlicht und ergreifend nicht aktiv sind. Wenngleich das auf den ersten Blick lächerlich klingen mag; behalten Sie das bei der Inhaltsgestaltung ruhig im Hinterkopf.
Wenn Sie bei Smartphones den sogenannten Dark Mode bei ihren OLED-Bildschirmen nutzen, hält der Akku bei maximaler Bildschirmhelligkeit doppelt so lange durch. Quelle Avast. Inwieweit das für Ihr individuelles Digital Signage übertragbar ist, müssen Sie für sich selbst entscheiden. Für diejenigen, die viele Bildschirme an hellen Orten betreiben und die Stromrechnung selbst bezahlen, reduzieren dunklere Inhalte die Stromkosten bemerkbar.
Was kann der Gesetzgeber tun?
Der Gesetzgeber definiert Rahmenbedingungen, innerhalb derer die Wirtschaft zu funktionieren hat. Dabei konkurrieren die Länder miteinander. Verschlechtern sich diese Rahmenbedingungen, suchen sich Industrie und Wirtschaft andere Standorte. Dem Staat entgehen so Steuereinnahmen. Dazu kommen noch Heerscharen von Lobbyisten, welche einigen dafür empfänglichen Politikern gerne mal ihre Sicht der Dinge schmackhaft machen.
Die Möglichkeiten der Politik einzelner Länder beschränken sich deshalb auf Förderungen, vorsichtigen Sanktionierungen und in der Zusammenarbeit mit anderen Ländern. Wie schwierig sich allerdings staatenübergreifende Konsense gestalten, sehen wir an den regelmäßig stattfindenden Klimakonferenzen. Nach jedem Ende verkaufen die Teilnehmer Minimalziele weit unter wissenschaftlichen Forderungen bereits als Erfolg.
Anmerkung Umsetzbarkeit
Mir ist bewusst, dass einige der nachfolgenden Punkte praktisch für einen einzelnen Staat schwer umzusetzen sind. Allerdings geht es hier auch um theoretische Möglichkeiten.
Schulen und Informieren
Die wichtigste Maßnahme eines Staates ist es aus meiner Sicht, die Wissensvermittlung zu fördern. Dieses schafft ein Bewusstsein von Nachhaltigkeit und Ökologie. Der Prozess dauert über Generation und beinhaltet auch langwierige Diskussionen, um möglichst viele Menschen durch Überzeugung ohne Panikmache, Schuldzuweisungen und Stigmatisierungen mitzunehmen.
Transparenz fordern
Ein Käufer sollte transparent Rohstoffgewinnung, Herstellungsprozess, Transportwege, die verwendeten Materialien und die Recyclingmaßnahmen einsehen können. Restaurants müssen in der EU die Inhaltsstoffe und mögliche Allergene kennzeichnen. Warum nicht so ein Verfahren auch bei Technik? Stellen wir uns vor: Jeder Mensch erfährt problemlos, dass die Rohstoffe dieses Monitors aus einem Sklavenhalterstaat mit Kinderarbeit ohne Umweltauflagen kommen. Vielleicht stellen sich Unternehmen dann doch die Frage, ob die vermeintlich teurere Alternative einem medialen Shitstorm vorzuziehen ist.
Umweltschäden einpreisen
Die Herstellung und die Entsorgung von Werbemonitoren und Medienplayern, verursachen Umweltschäden. Es sollte Pflicht sein, das alles transparent einzupreisen. Umweltverträglichere Produkten bekommen dann keinen Wettbewerbsnachteil. Wir haben hier nämlich das gleiche Problem wie beim Billigfliegen. Niemand bezahlt die Umweltschäden durch den CO₂-Ausstoß in der Stratosphäre.
Recht auf Reparatur
Reparaturen verlängern Laufzeiten. Längere Laufzeiten belasten die Umwelt weniger, da keine Ressourcen zur Neuherstellung benötigt werden. Unternehmen, welche Reparaturen durch verklebte Bauteile, verlötete Komponenten, exklusive Knebelverträge und anderem Maßnahmen aktiv behindern, sollten sanktioniert werden.
Polemisch formuliert: Wenn selbst Hipster durch 2 bis 3 mm dickere Notebooks oder Smartphones keinen signifikanten Verlust an Lebensqualität erfahren, sollte das bei einem in einer digitalen Stele verbautem Monitor erst recht irrelevant sein.
Nachhaltigkeit fördern
Wer heutzutage auf Nachhaltigkeit baut, bekommt im Wettbewerb Nachteile. Ein Staat schafft mit staatlichen Siegeln und Validierungen Anreize. Diese sollten natürlich transparent formuliert und für alle Unternehmen erschwinglich sein. Bitte nicht so, wie gewissen Zertifizierungen, die mitunter den Eindruck erwecken, sie seinen dazu gedacht, kleinere Marktteilnehmer auszuschließen.
Was können Unternehmen tun?
Unternehmen unterliegen dem Zwang der Wirtschaftlichkeit. Nachhaltige Maßnahmen im Green Signage erhöhen oft die Kosten. Schafft das Marketing es nicht, die Vorteile zu kommunizieren, mindert dies den Profit und Umsatz. Volle Transparenz, wie in der Sektion Gesetzgeber erwähnt, hilft bei der Außendarstellung.
Unternehmen können übrigens auch selbst Kunde von Zulieferern sein. Insofern gibt es auch Überschneidungen mit der Sektion Kunden.
Nachhaltige Unternehmen minimieren ihren CO₂-Fußabdruck. Dafür existieren folgende Möglichkeiten.
Recycling
Bei der Müllvermeidung gibt es eine Hierarchie namens „Reduce, Reuse, Recycle“. Wenngleich sich das nicht zu 100 % auf die Displayproduktion umsetzen lässt, kann Reuse und Recycling zukünftig einen höheren Stellenwert einnehmen. Diese Studie des Fraunhofer-Instituts sieht in Bildschirmen Rohstoffquellen für seltene Spurenelemente.
Elektronische Bauteile in der Elektronik benötigen seltene Erden. Deren Abbau verbraucht Unmengen an Wasser und hinterlässt eine zerstörte Natur. Wenn Hersteller Materialien einfach zurückgewinnen (Recycle) und wieder nutzen (Reuse), verringert das die Umweltzerstörungen durch den Abbau.
Modularisierung und einfache Reparatur
Die Möglichkeit einer einfachen Reparatur oder gar und Aufbereitung von Rückläufern respektive End-of-Life Produkten verlängern die Lebensdauer. Eine Modularisierung der Bauteile wie beim Fairphone unterstützt dies zusätzlich und verringert die Kosten für Kunden und Hersteller.
Energieverbrauch reduzieren
Es existieren Technologien, wie die Commons-Kathode-Methode. Diese steuern die Spannung bei den drei LED Grundfarben separat. Daraus resultieren bis 75 % Einsparpotenzial.
Eine einheitliche Schnittstelle für echtes Stand-by wäre eine weitere Möglichkeit Strom zu sparen. Wir können softwareseitig oft Geräte nicht korrekt ausschalten. Das Problem steckt im Konzept, weil die Playersoftware im Hintergrund nach wie vor die Kontrolle benötigt. Ein Nutzer könnte ja im CMS den Befehl zum Aufwecken senden, den das Gerät dann nicht empfängt.
Als aktuelle Lösung dimmen viele die Helligkeit auf null, sofern das möglich ist. Das ist zwar besser als nichts, verbraucht aber noch zu viel Strom. Eine Art spezieller Wake-on-LAN für Digital Signage, um trotz Stand-by auf das Netz zugreifen zu können und das als standardisierte Schnittstelle wäre ein Traum.
Code of Conducts
Verantwortungsbewusste Unternehmen entwerfen und veröffentlichen Verhaltensgrundsätze, sogenannte Code of Conducts. Darin halten Sie fest, dass ihre Lieferanten verpflichtet sind, Mitarbeiter fair zu bezahlen, auf Menschenrechte sowie sichere Arbeitsplätze zu achten. Ferner auf Kinder- und Zwangsarbeit zu verzichten.
Was kann die Presse tun?
Die Presse hat die Möglichkeit ebenso wie der Gesetzgeber ein nachhaltiges Bewusstsein zu schaffen. Natürlich weniger belehrend von oben herab, wie es vermehrt in den letzten Jahren geschieht, sondern neutral, mit Möglichkeit zum Austausch. Leider unterstehen auch die Fachzeitschriften wirtschaftlichen Zwängen und wollen Anzeigekunden nicht verprellen.
Negatives Praxisbeispiel: Fairphone
Das niederländische Unternehmen Fairphone bietet seit Jahren nachhaltige, modulare und reparaturfähige Geräte mit möglichst konfliktfreien Materialien an. Dafür lobt zwar die Fachpresse pflichtbewusst, verreißt aber im gleichen Atemzug das schlechte Preis-Leistung-Verhältnis und das unzeitgemäß klobige Design.
Am Ende stehen mal wieder die üblichen Tech-Giganten, wie Samsung, Apple, Huawei usw. ganz vorn in den Testberichten, während ein Fairphone bestenfalls den Trostpreis erhält. Sie bleiben nur ein Nischenanbieter – nicht bloß finanziell, sondern auch in den Köpfen der Leser.
Hier wird eine Möglichkeit verpasst nachhaltiges ökologisches Bewusstsein zu kommunizieren und zu etablieren. Nachhaltigkeit degeneriert wie vieles andere mal wieder zu einem Nerd-Thema für Außenseiter. Es zu loben fühlt sich wohlig und erhaben an: Wie bei Miss-Wahlen das obligatorische Bekenntnis zum Weltfrieden. Als richtig „heißen Scheiß“ präsentiert man dann aber doch lieber das abermals 1 mm dünnere Lifestyle Smartphone mit den X hochauflösenden Kameras, dem noch schnelleren Prozessor und dem noch größeren Speicher.
Positiv in Deutschland: Invidis
Es gibt auch positive Beispiele in Deutschland. Es ist schön zu sehen, dass Invidis eine Kategorie namens Green Signage ins Leben gerufen hat und dafür regelmäßig mit Artikeln Öffentlichkeit schafft.
Fazit
Nachhaltigkeit beginnt im Kopf des Käufers. Solange eine signifikante Mehrheit nicht bereit ist, einen adäquaten Preis zu zahlen, ändert sich nichts. Unternehmen können das mit hoher Transparenz, die Politik mit Förderungen und zusammen mit der Presse durch Bildung beeinflussen.
Solange uns allen aber nicht klar ist, dass Kosten für Energie, Abfallbeseitigung, Recycling und ökologische Schäden über die Lebenszeit der Geräte in die Kalkulation für Digital Signage Projekte einfließen müssen, bleibt Green Signage nur ein weiteres Lippenbekenntnis mit werblichem Charakter.
Enttäuschend dabei: Bei der Recherche zu diesem Artikel fand ich nur sehr wenig konkrete Informationen bei den Herstellern. Viele Unternehmen, welche sich die üblichen Schlagworte wie nachhaltig, ökologisch und grün auf die Fahnen schreiben, nutzen diese lediglich als werblichen Aufhänger für ihre Produkte und Dienstleistungen. Es gibt positive Ansätze wie bei Ströer und Sharp/NEC, aber das sind noch zu wenige.